by Damian Bock
Nudges

Definition Ankereffekt

Der Ankereffekt (engl. “anchoring effect”) ist ein Phänomen aus der Kognitions­psychologie und beschreibt, dass Menschen bei Urteilen und Entscheidungen stark durch vorgegebene, oft irrelevante Informationen („Anker“) beeinflusst werden – selbst wenn ihnen das nicht bewusst ist. Diese Anker fungieren entweder als unbewusste Suggestion, die passende Assoziationen aktiviert (Priming), oder als Startwert, von dem aus eine Anpassung („adjustment heuristic“) erfolgt.


Maß der Wirkung & Beispiele

  • Ein Maß für die Stärke des Einflusses ist der sogenannte Ankerindex: (Differenz der geschätzten Werte) ÷ (Differenz der Ankerwerte) → ergibt %-Wert.

    • Wenn keine Beeinflussung → Index = 0 %

    • Wenn vollständige Übernahme des Ankers → Index = 100 %

  • Beispielstudie: Versuchspersonen sollten die Höhe eines Mammutbaums schätzen. Gruppe A mit Anker 1200 ft schätzte im Mittel 844 ft; Gruppe B mit Anker 180 ft schätzte 282 ft. → Ankerindex ≈ 55 %

  • Weiteres Beispiel: Spendenbereitschaft bei einer Öl-Verschmutzung – Anker 5 $ führte zu 20 $, Anker 400 $ zu 143 $ → Ankerindex ≈ 31 %.

  • Auch Expert*innen sind nicht immun: In einer Studie mit Immobilienexperten und Studenten beeinflusste der angegebene Listenpreis (Anker) beide Gruppen signifikant.

  • Und Richter urteilten anders, wenn vorher eine zufällige Zahl („Würfelwurf“) genannt wurde – Ankerwirkung ca. 50 %. https://www.researchgate.net/publication/7389517_Playing_Dice_With_Criminal_Sentences_The_Influence_of_Irrelevant_Anchors_on_Experts'_Judicial_Decision_Making


Erklärung / Mechanismen

  • Die klassische Erklärung von Amos Tversky & Daniel Kahneman: Eine unzureichende Korrektur („insufficient adjustment“) von einem Startwert (Anker) führt zur Verzerrung.

  • Spätere Forschungen (z. B. Thomas Mussweiler & Fritz Strack) zeigen: Ein Anker aktiviert gezielt Gedächtnisinhalte, die zur Ankerzahl passen („selektive Verfügbarkeit“). Diese Inhalte sind dann leichter abrufbar und beeinflussen Urteile.


Relevanz / Anwendungsfelder

  • Wirtschaft & Arbeit: Entscheidungen mit numerischen Komponenten sind besonders anfällig. Z. B. Verhandlungen – das erste Angebot fungiert als Anker und beeinflusst den weiteren Verlauf und das Ergebnis signifikant.

  • Marketing: Marketing-Strategien nutzen den Ankereffekt gezielt – z. B. durch Preisgestaltung („teures Paket neben Standardpaket“), wodurch das Standardpaket im Vergleich günstiger wirkt.

  • Recht: Auch im juristischen Kontext: z. B. Schadensersatzforderungen oder Strafmaße können als Anker wirken, die Urteile beeinflussen. Eine bestimmte Reihenfolge der Vortragenden (z. B. Staatsanwalt zuerst) kann damit einen Ankereffekt erzeugen.

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