by Damian Bock
Nudges

Definition

Die Verfügbarkeitsheuristik ist eine kognitive Faustregel (Heuristik), die Menschen nutzen, um Wahrscheinlichkeiten, Häufigkeiten oder Wichtigkeit von Ereignissen einzuschätzen, wenn keine präzisen Daten verfügbar sind.
👉 Sie ersetzt die schwierige Frage „Wie häufig ist etwas?“ durch die einfachere „Wie leicht kann ich mich daran erinnern?“.

Je leichter ein Beispiel abrufbar ist, desto wahrscheinlicher erscheint das Ereignis – unabhängig von der realen Häufigkeit.

Auch bekannt als: Verfügbarkeitsfehler (availability error).


Ursachen für hohe „Verfügbarkeit“

  • Eigene Erfahrungen (persönliche Erlebnisse sind besonders einprägsam)

  • Medienberichte (häufige oder emotionale Berichterstattung verzerrt Wahrnehmung)

Beispiel:
Nach einer Serie von Gewaltmeldungen wird die eigene Einschätzung der Kriminalität systematisch überschätzt.


Alltagsbeispiele

  • „Immer wenn ich es eilig habe, sind alle Ampeln rot.“

  • „Mein Freund ist cholerisch – typisch Widder.“ (selektive Erinnerung bestätigt Vorurteil)

  • Glücksspieler überschätzen ihre Chancen, wenn sie Gewinne anderer beobachten – Gewinne sind leichter erinnerbar als häufige Verluste.


Zentrale Experimente

1️⃣ Tversky & Kahneman (1973) – Famous Names Effect

  • Listen mit bekannten vs. unbekannten Namen (z. B. 19 berühmte Männer / 20 unbekannte Frauen).

  • Ergebnis: ~80 % überschätzen den Anteil der bekannteren Namen → Verfügbarkeit (Berühmtheit) statt tatsächlicher Häufigkeit bestimmt das Urteil.

2️⃣ Norbert Schwarz et al. – Leichtigkeit der Erinnerung

  • Gruppe A: 6 Beispiele für selbstsicheres Verhalten (leicht).

  • Gruppe B: 12 Beispiele (schwer).
    → Gruppe B schätzte sich weniger selbstsicher ein, obwohl sie mehr Beispiele hatte.

  • Entscheidend ist nicht Anzahl, sondern Leichtigkeit des Abrufs („ease of retrieval“).

3️⃣ Ross & Sicoly – Partnerschaften und Eigenanteil

  • Ehepartner sollten Anteil an Hausarbeit, Streit etc. schätzen.

  • Summe beider Angaben > 100 %.
    → Eigene Beiträge sind leichter erinnerbar → Überschätzung.

4️⃣ Nisbett & Ross – Bildhafte Vorstellung vs. Statistik

  • Ärzt:innen, die viele Lungenkrebspatienten sahen, rauchten weniger.
    → Konkrete, bildhafte Erfahrungen beeinflussen stärker als abstrakte Zahlen.

Erweiterung: Verfügbarkeitskaskade

(Timur Kuran & Cass Sunstein)
Wenn sich Menschen gegenseitig äußern, verstärken verfügbare Meinungen einander, bis sie zur Mehrheitsmeinung werden.
Ähnlich wie Gruppendenken.
→ In sozialen Medien besonders relevant: schnelle Meinungsdynamiken, emotionale Aufladung.


Kognitive Folgen

  • Systematische Fehleinschätzungen von Risiken

  • Verzerrung von statistischen Urteilen

  • Verstärkung durch Medienpräsenz oder soziale Resonanz


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